Upps! Die Politik hat etwas bemerkt. Und zwar, dass es Kinder und Jugendliche gibt, die weder einen Computer noch Internet haben. Von denen aber erwartet wird, dass sie in der gegenwärtigen Corona-Krise fleißig Homeschooling betreiben, also ihre im Internet abrufbaren Schulaufgaben erledigen.
Was aber tun Mädchen und Jungen, die keinen PC haben? Sie besuchen zum Teil ihre Klassenkameraden und lernen dort bzw. drucken die Internetaufgaben aus oder bearbeiten sie direkt. Sie tun also genau das, was Homeschooling verhindern soll: den persönlichen Kontakt zu Mitschülern und damit eine Erhöhung des gegenseitigen Ansteckungsrisikos.
Deshalb hat die Bundesregierung Mitte April 2020 beschlossen: Bedürftige Schüler sollen noch in diesem Jahr bis zu 150 Euro als Zuschuss zum Kauf eines Tablets, Laptops oder Computers erhalten. Dies soll ihnen den Zugang zum digitalen Klassenzimmer erleichtern. Das Gesamtpaket umfasst 500 Millionen Euro, was vermuten lässt, dass die Regierung von 3,3 Millionen bedürftigen Kindern deutschlandweit ausgeht.
„Das Zuschuss-Programm ist toll. Aber im Sinne von großartig und verrückt. Kriegen die in Berlin überhaupt mit, was im Land so läuft? Entlassungen, Kurzarbeit, steigende Lebensmittelpreise. Immer mehr Familien haben immer weniger Geld! Und die sollen sich jetzt Computer, Internet und Drucker leisten? Die Minister kriegen Spitzen-Laptops vom Staat gestellt. Woher sollen die wissen, dass das billigste Tablet 300 Euro kostet? Wer übernimmt die anderen 150 Euro, dazu den Drucker, Toner, Internetzugang?“, fragte Jochen Miche. Gemeinsam mit Christopher Heinbach und André Kosig diskutierte er in Hettstedt das Thema „Ausstattung von Schülerinnen und Schülern mit Computertechnik“.
André Kosig sah das Ganze gelassener: „Der Lehrerverband von Sachsen-Anhalt hat empfohlen, dass die 150 Euro für bedürftige Schüler direkt an die Schulen gehen. Davon sollten dann Computer gekauft und an die Schüler verliehen werden. Ist doch keine schlechte Idee. Es müsste nur geklärt werden, dass die Schüler die Technik auch nach Ende der Corona-Pandemie zu Hause nutzen dürfen. Und da gibt es noch die Frage nach den Extrakosten, zum Beispiel das Internet. Aber das ist das kleinere Problem. Handys mit Internet haben sie fast alle. Dann können die Kids über den Hotspot ihrer Handys ins Web.“
Trotzdem: 150 Euro bleiben ein Zuschuss. Mancher wird sich die Technik nicht leisten können. Christopher Heinbach: „Wie soll ein Kind dann die Herausforderungen der Schule meistern? Und später, im Berufsleben, muss fast jeder mit einem PC umgehen können.“
In die hitzige Debatte ohne Maulkorb warf André Kosig ein: „In Berlin verschenkt jemand gebrauchte Computer an Menschen, die sie brauchen, sich aber nicht leisten können.“ „Das machen wir doch längst“, erklärte daraufhin Jochen Miche, der unlängst Menschen mit einem gebrauchten und einem nagelneuen Computer-Monitor helfen konnte. Sein Kollege Christopher Heinbach brachte vor Kurzem sogar eines seiner jüngeren Notebooks auf den neuesten Stand und überließ es kostenlos und dauerhaft einem überglücklichen Azubi.
Ende April gründeten die drei die ehrenamtliche Aktion „Books for Kids“. Ziel des Projektes ist es, bedürftigen Kindern und Jugendlichen zu einem Notebook zu verhelfen, mit dem sie üben, Aufgaben für die Schule oder Ausbildungsstätte erledigen und sich überhaupt fit machen können für das digitale Zeitalter. Die Akteure von „Books for Kids“ wenden sich an Menschen, die mehrere Notebooks besitzen und bereit sind, sich kostenlos von einem zu trennen, das dann an hilfsbedürftige Schüler oder Azubis weitergereicht wird.
Wie soll das Ganze ablaufen? Christopher Heinbach, der Computerfachmann in der Runde, erklärt es: „Wir bitten jeden, der ein maximal zehn Jahre altes Notebook entbehren kann, dies zu spenden. Wir nehmen es – mit Stromkabel – im Copy-Shop in Hettstedt entgegen. Protokolliert werden Abgabedatum und Gerätenummer. Dann werden eventuell vorhandene Daten auf dem Gerät dauerhaft gelöscht. Wenn eine Optimierung der Geschwindigkeit nötig ist, wird notfalls Hardware ausgetauscht.“
Dieser Teil der Aktion ist allerdings sehr speziell. Denn Reparatur oder Austausch von Teilen kostet Geld. Genau dies möchten die Initiatoren aber nicht denen abknöpfen, die die Geräte spendiert bekommen. Die „Books for Kids“-Leute wollen Interessierte suchen und finden, die helfen, diese Reparaturen mit zu finanzieren.
Wer ein solches Gebrauchtgerät benötigt, wendet sich bitte an Hettstedt live oder an das Kopierzentrum. Falls überarbeitete Computer da sind, kann die Übergabe schnell erfolgen, falls nicht, gibt es eine Warteliste. Bei Empfang eines Gerätes ist ein einmaliger Unkostenbeitrag in Höhe von zehn Euro zu zahlen (das hat nichts mit dem Aufwand des sicheren Löschens von Daten und dem aufwendigen Checken des Geräts zu tun, der tatsächlich ein Vielfaches kosten würde, sondern soll psychologisch die Wertigkeit der Spende unterstreichen). Das Geld fließt in Reparaturen und Aufrüstungen der Geräte.
„Alle Vorgänge erfolgen vertraulich, die Namen der Beteiligten bleiben anonym“, unterstreicht Jochen Miche. Allerdings setzen die Organisatoren voraus, dass sich wirklich nur Bedürftige für ein solches Gerät melden.
Christopher Heinbach meint: „Kein Computer muss im Schrott landen, nur weil man sich einen neuen zulegen will. Auch jedes Notebook hat ein zweites Leben verdient. Wer bei ,Books for Kids‘ mitmacht, hilft jungen Leuten, Anschluss an das digitale Zeitalter zu finden. Und hilft – mal nebenbei gesagt – auch der Umwelt, die an manchen Orten bereits ein echtes Problem mit IT-Schrott hat. Helfen Sie also mit!“
Info
Interessierte können sich per E-Mail an folgende Adressen wenden:
service@hettstedt-live.eu
oder:
kopierzentrum-hettstedt@t-online.de
Telefonische Nachfragen (auch wegen der aktuellen Öffnungszeiten) sind möglich unter: 03476/81 23 24; Abgabeort ist das Kopierzentrum Hettstedt, Wilhelmstr. 2, 06333 Hettstedt