Gute-Kita-Gesetz fällt durch – Masse statt Klasse

So hatte sich das wohl Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) nicht gedacht, dass ihr aufgesetztes Förderprogramm für Kita-Plätze so vor die Wand läuft.

In dem Gesetz hat der Bund den Ländern bis 2022 Mittel in Höhe von 5,5 Milliarden Euro zugesichert, um neue Plätze zu schaffen und die Qualität zu verbessern. Jedoch nutzen es die Länder um ihr Betreuungsangebot kostenlos zu machen.

Völlig falsches Signal – Bildungsökonomen, Gewerkschafter und Oppositionspolitiker prangern an

Tatsächlich fließe sogar knapp die Hälfte der Mittel in die Finanzierung von Elternbeiträgen, beklagt Katja Dörner, Vizechefin der Grünen-Fraktion. „Das ist angesichts schlechter Betreuungsstandards und fehlender Fachkräfte eine völlig falsche Prioritätensetzung auf dem Rücken der Kinder und der Fachkräfte in den Einrichtungen“, sagt Dörner. Bei ihrem Gesetz habe Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) „die Einhaltung von echten Qualitätsstandards völlig aus den Augen verloren“, sagte der kinder- und jugendpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Matthias Seestern-Pauly.

Die Folgen unzureichender Betreuung für Kinder hat man anhand von großen Datensätzen nachweisen können, welche etwa in Schleswig-Holstein mit der Aufstockung der Ganztagsplätze in Kitas auch der Anteil der Kinder gestiegen ist, die bei der Schuleingangsuntersuchung sozial-emotional Auffälligkeiten zeigten. Die Ärzte sahen mehr Kinder, die hyperaktiv waren, besonders ängstlich, besonders laut oder besonders schüchtern.

Eine Fachkraft für zehn Krippenkinder – Betreuungsschlüssel nie angepasst

In den ostdeutschen Bundesländern und Berlin seien die Zustände besonders problematisch, kritisiert etwa die Bertelsmann-Stiftung. Dort sei – abzüglich von Urlaub, Krankheit und administrativen Aufgaben – durchschnittlich eine Fachkraft für knapp zehn Krippenkinder unter drei Jahren verantwortlich. „Da leidet die Qualität der Interaktionen zwischen Erziehern und Kindern enorm“, warnt Anne Münchow, Expertin für frühkindliche Bildung bei der Bertelsmann Stiftung. „Das kann gefährlich sein für die Entwicklung der Kinder.“

Bundesfamilienministerium sieht keinen Handlungsbedarf

In Berlin sind nach Ansicht der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) die Grenzen des Zumutbaren längst überschritten. Rund 1500 Stellen für Erzieherinnen seien derzeit unbesetzt, schätzt GEW-Experte Ronny Fehler. Anstatt um qualifiziertes Personal zu werben, schraube die Politik die Ansprüche herunter. Inzwischen muss in Berlin ein Drittel des Kollegiums einer Kita keine Ausbildung zur anerkannten Erzieherin mehr vorweisen. „Das entwertet den Beruf und befeuert den Fachkräftemangel zusätzlich.“

Aus dem Bundesfamilienministerium heißt es, „einheitliche, bundesweite Standards sind zum jetzigen Zeitpunkt nicht der richtige Weg“. Sie würden einige Länder finanziell überfordern, andere womöglich dazu bewegen, ihre bereits hohen Standards abzusenken.

(red/Welt/Axel Springer SE)

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